Von Barhöft nach Warnemünde – die bisher größte Herausforderung der Reise – 13 Stunden Fahrt übers Meer ohne Möglichkeit eines Hafenstopps, abhängig von Wind und Wetter – mit zwei Motoren, die einen Tag vorher wieder ihre Kinderkrankheiten ausbrüteten…
Es ist Verlass auf die innere Uhr – 3.45 Uhr werde ich munter. Das hohe Tschilpen um mich herum, kündet von einer Schar Schwalben und lässt mich aus dem Dämmerschlaf in den Tag kommen. Mein Bewusstsein legt den Schalter sofort um – Handy und Laptop müssen noch schnell an den Strom. Ruckartig bin ich munter und springe aus der Koje.
Wir starten aus unserer engen „Bootsparklücke“. Kommen super aus dem Hafen raus und halten Ausschau nach den ersten Bojen. Da präsentiert sie sich uns. Erst als zarter Streifen am Horizont. Dann geht alles ganz schnell. Der rote Ball steigt aus dem Meer, die umliegenden Fischerboote bieten die perfekte Postkartenkulisse. Verträumt stehen wir Mädels (unsere Freundin Elvi ist zu Besuch) am Bug und lassen uns von der Inszenierung der Sonne begeistern. Mit einem seligen Grinsen im Gesicht gehe ich nach hinten aufs Boot, da ruckt es auch schon. Der Tiefenmesser zeigt 0,6 m. Wir brauchen ohne eingerechnete Sicherheitstoleranz 1,0 Meter! Knappe Info von Gunter. Ich bin auf die falsche Tonne zugefahren. Wir sitzen fest. Der Schatten eines auf Rede liegenden Baggerschiffs hat die grüne Tonne geschluckt. Schrecksekunden – voller Speed, die Maschinen geben alles. Wir ruckeln uns frei. Glück gehabt.
Es geht weiter, Tonne 11 und 12 zeigen uns an – Ende der Schutzzone – Kurswechsel. Die letzten Orientierungspunkte entschwinden. Vor uns … nichts, einfach nur endloser Horizont. Neben uns ein Küstenstrich, hinter uns die aufgehende Sonne. In der Kindheit haben wir gelernt: Im Osten geht die Sonne auf. Unser neu gekaufter Kompass zeigt 305 Grad – das müsste passen. Die Herausforderung unserer Tour ist, ohne professionellen Kartenplotter und elektronischer Seekarte, mit Freizeitboot übers Meer zu kommen. Die ungefähre Position können wir auf unserer Wanderkarte mit GPS verfolgen. Auf der Strecke liegt der Nothafen Darßer Ort. Dieser kann bei Motorschaden oder im akuten Krankheitsfalle angesteuert werden.
Das Meer schunkelt uns gleichmäßig. Die Blicke schweifen umher, fallen auf den Aufkleber neben dem Funkgerät. Oh, noch nicht ausgefüllt. Gerade heute wäre er schon sehr wichtig – eben für den Notfall. Ich hole fix die Zuteilungsurkunde der BNetzA und notiere in großen Lettern die Nummern für Rufzeichen, MMSI und ATIS Kennung. Jetzt sind wir komplett und könnten per Funk unsere Daten an die Notrufzentrale Bremen Rescue durchgeben, kurzes Sicherheitsgefühl.
Blick nach vorn – Nebel kommt auf. Wieso das – an so einem herrlichen Tag – eben war noch alles ganz klar. Hastige Suche in den Wetterberichten – dergleichen ist nirgendwo angekündigt. Mist aber hier ist so eine dicke Suppe – weit und breit nichts zu erkennen. Info von Gunter: Ich bekomme das Boot fast nicht auf Kurs gehalten – keine Ahnung – eine Strömung vielleicht? Der Tiefenmesser zeigt 4,5 Meter. Wir müssten also in der Nähe der Küste sein.
Es ist unheimlich. Gedanken fliegen…es dürfte kein größeres Schiff kommen. Wir laufen sozusagen unterm Radar, sind für andere nicht sichtbar, da wir kein AIS – ein Funksystem zum Austausch von Navigations- und Schiffsdaten haben.
Wir fahren und fahren – die Sonne im Rücken und vertrauen dem Kompass. Es ist 6.50 Uhr – schau mal rüber – Jubel! Die Küste meiner Lieblingsinsel, dem Darß, zeichnet sich schemenhaft auf der linken Seite ab. Sofort stellt sich eine Portion Urvertrauen ein. Was so ein bisschen bekanntes Terrain gleich ausmacht. Meine Anspannung löst sich.
Ich messe anhand unserer Tiefenangabe und den eingetragenen Daten auf der papiernen Seekarte die Entfernung – ca. 1 sm=1,8 km Uferentfernung. Geschätzt hätte ich 500 m. Die Wassertemperatur ist 12 Grad. O.k. schwimmen würde ich die Strecke trotzdem nicht wollen. Mit dem Fernglas werden die ersten Häuser von Zingst sichtbar. Oh ich liebe das Bootfahren. Für Gunter gibt’s den ersten Guten-Morgen-Kuss.
An Zingst vorbei und der Nebel ist wieder da. Nichts aber auch gar nichts ist erkennbar. „All Is Lost“ (der Film mit Robert Redford) geistert mir durch den Kopf. So muss man sich fühlen. Bis Darßer Ort haben wir den Wind von der Seite. Das Boot schaukelt sich auf. Der Anblick der Gefahrenstellentonne sagt uns – jawoll die Richtung stimmt, ab hier muss ein Kurswechsel nach Warnemünde erfolgen. Aber unser Weg ist noch weit.
Laut Karte müssten wir am Leuchtturm vorbeifahren. Wir starren in den Nebel und vermuten einen Umriss – er könnte es sein. Und dann sehen wir endlich die Küste, der Nebel löst sich auf, wir sind bereits 5 Stunden unterwegs, die Motoren brummeln ihren gleichmäßigen Ton.
Jetzt fahren wir nach Sicht. Das ist nicht so anstrengend wie im Nebel ständig auf GPS und Kompass zu starren. Aus der Kombüse kommt endlich das Frühstück und die Stimmung ist ausgelassen.
So tuckern wir gemächlich ´gen Warnemünde, die Stunden vergehen.
Am Horizont taucht die Hafensilhouette auf. Der Kanal 71 lässt den Funkverkehr zwischen „Warnemünde Traffic“ und den umliegenden Schiffen mithören. Wir bekommen einen Eindruck vom Gewimmel vor uns. Das Fernglas zeigt zwei große Kreuzfahrtschiffe. Da sollen wir mit rein? Die Spannung steigt. An der Seewasserstraße zur Hafeneinfahrt stoppen wir auf und lassen einige große und kleine Schiffe passieren, in einer Lücke beeilen wir uns, den Strom zu passieren und zwängen das Boot an einigen Fahrgastschiffen vorbei in den alten Hafen. Hier ist kein Platz für uns frei, wir müssen weiter in die Marina „Hohe Düne“, einer etwas elitären Anlage vor den Toren des Hafens. Endlich ein Platz für uns – zufrieden und müde legen wir an. >G&G<
Mann oh Mann, ihr wollt’s aber immer wissen, oder? Alle eure Berichte haben immer eine kleine Schreckensnachricht inklusive 😅! Spannend zu lesen.
Ahoj,ihr lieben Seebären, vom Festland Stedten, aus der Flachswiesenlounge, herzliche Sonntags-Sonnengrüße!
Mit großem Interesse verfolgen wir eure Seefahrt. Ganz dem Naturwillen ausgesetzt, müßt ihr für jede Situation gewappnet sein. Was für eine Herausforderung. Wir wünschen euch:bei der alten Lady,das alles gut und sportlich läuft, Naturereignisse, mit denen ihr gut umgehen könnt, klare Sicht, romantische Sonnenaufgänge und Untergänge, dass die Gläser im Schrank kein Lied komponieren sondern nur beim Anstoßen erklingen…. . Wir fühlen uns gut und chillen heut mal. Freuen uns auf die nächste Reiseerzählung von euch.
Fühlt euch umarmt von den Festlandratten, Micha u. Bärbel.
p.s. ihr seit unser neustes Fernsehprogramm
habe leider noch nichts von der Segeltour gehört (Lukas)